Was ist Bildgestaltung überhaupt?
„Nicht die Kamera macht das Bild – sondern der Mensch dahinter.“
frei übersetzt nach Ansel Adams
1. Einführung: Der erste Schritt zur bewussten Fotografie
Viele glauben, gute Fotos hängen von der Technik ab. Aber der wichtigste Unterschied zwischen einem Schnappschuss und einem wirklich guten Bild liegt nicht in der Kamera, sondern im Blick des Fotografen.
In diesem Modul beginnst du, die Welt mit „Fotografenaugen“ zu sehen. Du lernst, wie man bewusst entscheidet, was ins Bild kommt – und wie. Du wirst bald merken: Das Sehen verändert sich.
Ziel dieses Moduls:
2. Theorie: Wie sehen wir – und was macht ein gutes Bild aus?
A) Sehen ist Auswahl
Unser Gehirn blendet viele Dinge aus, die es für unwichtig hält. Als Fotograf musst du lernen, genau hinzusehen, wo andere nur vorbeigehen. Denn jede Fotografie beginnt mit einer bewussten Wahl: Was zeige ich – und was nicht?
Tipp: Die Kamera nimmt alles auf – dein Blick entscheidet, was wichtig wird.
B) Was macht ein Bild interessant?
Ein Bild wirkt auf den Betrachter, wenn es klar ist – nicht verwirrend, nicht überladen. Dabei helfen ein paar Grundlagen:
- Komposition (Was ist das?)
Komposition bedeutet: Wie du die Dinge im Bild anordnest. Also: Wo steht das Hauptmotiv? Ist es in der Mitte oder eher an der Seite? Gibt es Linien, die das Auge führen? Eine gute Komposition lenkt den Blick des Betrachters durch das Bild. - Fokuspunkt (Was ist das?)
Der Fokuspunkt ist das Hauptmotiv im Bild – also das, worauf sich alles konzentriert. Ein starkes Bild hat meistens einen klaren Punkt, wo der Blick als Erstes hinfällt. - Kontext (Was ist das?)
Der Kontext ist die Umgebung oder der Zusammenhang, in dem ein Motiv steht. Eine Person auf einem Bahnsteig erzählt eine andere Geschichte als dieselbe Person in einem Wald. Der Kontext beeinflusst die Aussage des Bildes. - Licht (Was ist das? – logisch, aber…)
Licht ist nicht nur „hell“ oder „dunkel“. Es kann weich, hart, warm, kühl, direkt oder seitlich sein – und es hat immer eine Stimmung. Wer mit Licht gestaltet, macht Bilder mit Atmosphäre.
3. Übungen: Vom Sehen zum Bilddenken
Übung 1: Das 5-Minuten-Bild
- Setze dich irgendwo hin (draußen oder drinnen).
- Schau dich 5 Minuten lang ganz bewusst um – ohne Kamera.
- Was fällt dir auf, was du vorher übersehen hättest?
- Fotografiere dann ein einziges Motiv, das dich interessiert.
Ziel: Die Aufmerksamkeit trainieren – denn gutes Fotografieren beginnt im Kopf.
Übung 2: Mini-Serie zu einem Thema (z. B. „rund“)
- Wähle ein einfaches Thema: „Rund“, „Gelb“, „Stille“, „Fenster“.
- Finde 3 Motive, die dieses Thema zeigen – aber auf unterschiedliche Weise.
- Achte bei jedem Bild auf:
- Was ist das Hauptmotiv?
- Wo steht es im Bild? (Komposition!)
- Was sagt der Hintergrund über das Motiv aus? (Kontext!)
Tipp: Mach lieber wenige gute Bilder als viele zufällige.
Übung 3: Vorher–Nachher
- Mach ein „einfaches“ Foto – spontan, ohne viel Nachdenken.
- Dann:
- Überlege, was man besser machen könnte.
- Ändere den Bildausschnitt, die Perspektive oder das Licht.
- Mach das Bild neu – aber diesmal ganz bewusst.
Ziel: Den Unterschied zwischen „zufällig“ und „gestaltet“ erkennen.
4. Reflexion: Was hast du gesehen, was hast du gelernt?
Nimm dir nach den Übungen einen Moment Zeit – mit oder ohne Notizbuch:
- Was war neu oder überraschend für dich?
- Hast du etwas gesehen, dass du sonst übersehen hättest?
- Welches Bild gefällt dir selbst am besten – und warum?
5. Vertiefung (optional): Seh-Meditation
Tägliche 10-Minuten-Übung – ohne Kamera
- Setze dich irgendwo ruhig hin.
- Beobachte: Linien, Muster, Farben, Schatten, Bewegungen.
- Notiere ggf. oder merke dir ein Motiv, das du später fotografieren möchtest.
- Ziel: Das Sehen selbst trainieren, nicht nur das Fotografieren.
6. Abschlussprojekt: Dein erstes bewusst gestaltetes Bild
Wähle ein Foto aus diesem Modul aus, das dir gelungen erscheint.
beantworte für dich selbst:
- Was ist das Hauptmotiv?
- Warum hast du es so ins Bild gesetzt?
- Was macht dieses Bild für dich interessant?
- Was könntest du noch verbessern?
Wenn du magst: Zeig es anderen (Freunde, Fotogruppe) – und bitte sie nicht nur um Lob, sondern um eine ehrliche Meinung.
Modul 1 – Sehen lernen: Fotografie beginnt nicht mit der Technik, sondern mit der Art, wie du siehst. Dieses Modul hilft dir, dein Sehen zu verlangsamen, zu fokussieren – und aus dem Alltag Bilder mit Aussage zu machen.