„Ein starkes Bild zeigt nicht nur etwas – es erzählt dir etwas.“
Sinngemäß von Steve McCurry
1. Einführung: Wenn Bilder sprechen lernen
Die besten Fotos sind nicht nur schön oder gut komponiert – sie erzählen. Eine Geste, ein Moment, ein Blick kann genügen, um den Betrachter zu fesseln. In diesem Modul lernst du, wie man mit Einzelbildern, Bildpaaren oder Serien Geschichten erzählt, Emotionen weckt und Bedeutung transportiert.
Ziel dieses Moduls:
- Erzählerische Elemente in der Bildgestaltung erkennen
- Mit Spannung, Kontext und Symbolik arbeiten
- Eine eigene kleine Geschichte in Bildern umsetzen
2. Theorie: Was ist Storytelling in der Fotografie?
A) Storytelling beginnt im Kopf
Ein erzählendes Bild lädt den Betrachter zum Mitdenken, Mitempfinden oder Fragenstellen ein. Es ist nicht abgeschlossen, sondern offen für Interpretation.
Merkmale erzählender Fotos:
- Handlung (echte oder angedeutete Bewegung)
- Beziehung (zwischen Menschen, Objekten oder Raum)
- Emotion (sichtbar oder subtil)
- Veränderung (etwas passiert, ist gerade passiert oder steht bevor)
B) Wie Bilder Geschichten erzählen
1. Einzelbild mit Aussage
Ein einziges Foto mit klarer Stimmung, Handlung oder Symbolik.
Beispiel: Eine verlassene Schaukel im Regen = Kindheit, Einsamkeit, Zeit
2. Bildpaar mit Kontrast oder Verbindung
Zwei Bilder im Dialog: vorher/nachher, Nähe/Ferne, Licht/Schatten
Beispiel: Vor einem Fest – nach dem Fest
3. Serie mit rotem Faden
Mehrere Bilder, die zusammen eine Geschichte ergeben – nicht durch Text, sondern durch Bildabfolge
Beispiel: Morgendliche Routinen in einer fremden Stadt
C) Was braucht visuelles Erzählen?
- Motivwahl mit Bedeutung
- Kontext (Hintergrund, Requisiten, Licht, Kleidung)
- Perspektive & Timing
- Emotion – direkt oder indirekt
Ein gutes erzählendes Bild lässt Platz für Gedanken.
3. Fachbegriffe im Klartext
- Symbolik: Ein Motiv steht für etwas Größeres (z. B. leere Schuhe = Verlust)
- visuelle Metapher: Ein Bild „sagt“ etwas durch einen Vergleich (z. B. ein zerbrochener Spiegel für Identitätskrise)
- Narrative Serie: Eine Bildfolge mit innerem Zusammenhang – emotional, zeitlich oder thematisch
- Offene Erzählung: Eine Geschichte, die nicht alles erklärt – sondern Fragen stellt
4. Übungen: Mit Bildern erzählen
Übung 1: Einzelbild mit Handlung
- Fotografiere eine Szene, in der etwas passiert – oder passieren wird
- Achte auf:
- Bewegung
- Blickrichtungen
- Spannung im Moment
Tipp: Alltagsszenen können mehr erzählen als inszenierte Posen
Übung 2: Vorher–Nachher (ohne Text)
- Wähle eine Handlung oder Veränderung – z. B. Tisch gedeckt / leer, Mensch vor / nach dem Regen
- Fotografiere zwei Bilder, die diese Veränderung andeuten
- Hänge sie nebeneinander und prüfe: Ergeben sie eine kleine Geschichte?
Übung 3: Serie mit Thema „Begegnung“
- Fotografiere 3–5 Bilder zum Thema „Begegnung“
- Menschen, Dinge, Tiere – physisch oder symbolisch
- Achte auf:
- Zusammenhang zwischen den Bildern
- Emotionalen Bogen (Neugier, Nähe, Bruch, Auflösung)
Ziel: Ohne Worte erzählen
5. Reflexion: Welche Geschichte hast du gesehen?
- Was wollte dein Bild „erzählen“ – und kam das an?
- Hast du gemerkt, wie wichtig der Hintergrund oder der richtige Moment war?
- Was war schwerer: planen oder im Moment entdecken?
- Welche Serie oder Bildfolge hat dich selbst überrascht?
6. Vertiefung (optional): Bildtitel als Dialog
- Wähle eines deiner erzählenden Bilder
- Gib ihm drei verschiedene Titel – z. B.:
- sachlich
- poetisch
- ironisch
- Beobachte, wie sich dadurch die Wahrnehmung verändert
Erkenntnis: Auch ohne Worte erzählt ein Bild – aber Worte können lenken oder öffnen.
7. Abschlussaufgabe: Deine eigene Kurzgeschichte in Bildern
- Erstelle eine kleine Serie von 3–5 Bildern, die zusammen eine Geschichte erzählen
- Mögliche Themen:
- „Warten“
- „Verloren und gefunden“
- „Spuren“
- „Ein Tag in …“
Beantworte:
- Was ist der rote Faden?
- Wie hast du Spannung, Nähe oder Wandel inszeniert?
- Welche Rolle spielt der Bildrhythmus (z. B. Hell/Dunkel, Bewegung/Ruhe)?
Modul 11:
Fotografieren heißt nicht nur „zeigen“ – sondern erzählen. Gute Bilder schaffen Bedeutung, weil sie Raum für Gedanken lassen. Im letzten Modul wirst du all das Gelernte anwenden – in einem eigenen kleinen Fotoprojekt.