„Ein gutes Bild ist wie eine Melodie aus Formen.“
Inspiriert von Paul Strand
1. Einführung: Sehen in Formen
Unsere Welt ist voller Formen, Muster und Strukturen – aber oft nehmen wir sie nicht bewusst wahr. In der Fotografie sind sie wichtige Gestaltungsmittel, die Klarheit, Rhythmus und manchmal auch Überraschung erzeugen. Dieses Modul hilft dir, Ordnung im Bild zu erkennen – oder gezielt zu gestalten.
Ziel dieses Moduls:
2. Theorie: Was sind Formen und Muster in der Fotografie?
A) Form – die Basis jedes Motivs
Formen sind die Grundbausteine eines Bildes:
- Geometrische Formen: Kreis, Quadrat, Dreieck, Rechteck
- Organische Formen: Unregelmäßig, weich, natürlich (z. B. Blätter, Wolken, Wasser)
Merke: Formen schaffen Klarheit. Ein starkes Foto hat meist eine erkennbare Hauptform – auch wenn sie erst auf den zweiten Blick sichtbar wird.
B) Muster – Rhythmus für das Auge
Ein Muster entsteht durch die Wiederholung einer Form – zum Beispiel:
- Fensterreihen an einem Gebäude
- Ziegel, Pflastersteine
- Regale, Bücher, Stuhlreihen
- Schattenwürfe
Wirkung:
- Ordentlich, rhythmisch, beruhigend
- Je regelmäßiger – desto statischer
- Eine Unterbrechung (z. B. ein offenes Fenster in einer Reihe geschlossener) erzeugt Spannung!
C) Struktur – das fühlbare Bild
Struktur ist das, was visuell fühlbar wirkt: rau, glatt, grob, weich.
Typische Beispiele:
- Rinde eines Baumes
- Backsteinwand
- Stoffe, Sand, Metallgitter
Struktur kann dein Bild haptisch aufladen – besonders in Schwarzweiß!
3. Fachbegriffe im Klartext:
- Bildrhythmus: Die Wiederholung von Elementen erzeugt ein visuelles „Taktgefühl“.
- Abweichung: Ein Element, das aus dem Muster „ausbricht“, zieht Aufmerksamkeit auf sich.
- Abstraktion: Die Reduktion auf Form – ohne sofort erkennbare Bedeutung (z. B. Schattenformen an einer Wand).
4. Übungen: Formen und Muster gestalten
Übung 1: 3 Formen – 3 Fotos
- Finde Motive mit klaren Grundformen:
- Ein Kreis (z. B. Uhr, Rad, Deckel)
- Ein Dreieck (z. B. Dachgiebel, Verkehrsschild)
- Ein Quadrat oder Rechteck (z. B. Fenster, Tafel, Wandsegment)
- Fotografiere so, dass die Form im Bild klar erkennbar ist.
Ziel: Formbewusstsein entwickeln
Übung 2: Muster finden und brechen
- Finde ein regelmäßiges Muster (z. B. Pflastersteine, Regale, Sitzreihen).
- Mach ein Foto, das nur das Muster zeigt – ganz symmetrisch.
- Dann: Suche eine Störung im Muster – z. B. ein fehlender Stein, ein anderes Objekt – und mach ein weiteres Bild.
Ziel: Ordnung UND Reibung fotografieren
Übung 3: Struktur spürbar machen
- Wähle ein Motiv mit starker Oberflächenstruktur (z. B. Holz, Beton, Stoff).
- Fotografiere möglichst nah (Makro oder mit Zoom), bei seitlichem Licht (für Schattenwirkung).
- Optional: einmal in Farbe, einmal in Schwarzweiß.
Ziel: Eine „tastbare“ Wirkung im Bild erzeugen
5. Reflexion: Fragen für dein Notizbuch
- Welche Formen haben dich am meisten angesprochen? Warum?
- Hat sich dein Blick auf Oberflächen und Muster verändert?
- Konntest du durch eine Unterbrechung Spannung erzeugen?
- Welche Bildwirkung hat dich überrascht?
6. Vertiefung (optional): Abstraktion & Minimalismus kombinieren
- Fotografiere ein Motiv so nah oder aus so ungewöhnlichem Winkel, dass es nicht mehr erkennbar ist – nur noch als Form.
- Erstelle 3 Bilder, die rein aus Form, Kontrast und Fläche bestehen – ohne erkennbare Gegenstände.
Tipp: Das trainiert dein „grafisches Sehen“ – besonders wertvoll in der Schwarzweißfotografie.
7. Abschlussaufgabe: Bild mit Rhythmus oder Formfokus
Wähle ein Bild aus, das besonders durch Form, Muster oder Struktur wirkt.
Beantworte für dich:
- Welche Form oder Struktur trägt das Bild?
- Was macht das Bild visuell interessant?
- Wie hast du Bildausschnitt, Licht oder Perspektive genutzt, um das zu betonen?
Modul 4:
Formen und Muster bringen Ordnung, Rhythmus und Ruhe ins Bild – oder sorgen durch Brüche für Spannung. Sie sind die „visuelle Grammatik“ deiner Bildsprache. In Modul 5 lernst du, wie der Standpunkt und die Perspektive die Wirkung deiner Bilder grundlegend verändern kann – oft genügt ein kleiner Schritt zur Seite.