Modul 5 – Perspektive & Standpunkt: Die Macht des Blickwinkels

„Manchmal reicht ein Schritt zur Seite, um ein komplett neues Bild zu sehen.“

Angelehnt an David duChemin

1. Einführung: Perspektive verändert Bedeutung

Fotografieren heißt nicht nur was man zeigt – sondern wie man es zeigt. Der Standpunkt deiner Kamera verändert Größe, Wirkung und Aussage deines Motivs. Wer immer aus Augenhöhe fotografiert, verschenkt kreative Möglichkeiten.

Ziel dieses Moduls:

  • Die Wirkung verschiedener Perspektiven verstehen
  • Mit Standpunkten und Blickwinkeln experimentieren
  • Motive bewusst inszenieren statt beiläufig einfangen

2. Theorie: Wie Perspektive das Bild beeinflusst

A) Was bedeutet Perspektive in der Fotografie?

Perspektive beschreibt den Blickwinkel, aus dem du auf dein Motiv schaust – also deine Kamerahöhe, deinen Abstand und deinen Standort.

Schon ein kleiner Perspektivwechsel kann aus einem langweiligen Foto ein spannendes machen.

B) Typische Perspektiven & ihre Wirkung

PerspektiveBeschreibungWirkung
AugenhöheStandardeinstellungNatürlich, neutral
FroschperspektiveKamera sehr tief, nach oben fotografiertMächtig, heroisch, dominant
VogelperspektiveKamera hoch oben, nach unten gerichtetÜberblick, Kleinheit, Kontrolle
SchrägsichtKamera leicht geneigtSpannung, Dynamik, Unruhe
Nah & frontalDirekt vor dem Motiv, wenig KontextIntimität, Nähe, Fokus

C) Perspektive = Macht über Bedeutung

  • Eine Blume von oben fotografiert = Dekoelement
  • Dieselbe Blume von unten gegen den Himmel = Symbol für Stärke

Beispiel: Fotografierst du ein Kind aus deiner Augenhöhe, wirkt es klein. Fotografierst du auf Augenhöhe des Kindes, begegnet ihr euch auf Augenhöhe – auch emotional.

3. Fachbegriffe im Klartext

  • Standpunkt: Der Ort, von dem aus du fotografierst – beeinflusst Nähe, Winkel und Hintergrund.
  • Blickwinkel: Die Richtung, in die du schaust – horizontal, vertikal, diagonal.
  • Verzerrung: Wenn durch Perspektive Größen verändert wirken (z. B. riesige Nase bei Weitwinkel aus der Nähe).

4. Übungen: Perspektive bewusst nutzen

Übung 1: Ein Motiv – fünf Perspektiven

Wähle ein einfaches Motiv (z. B. eine Bank, ein Baum, ein Auto) und fotografiere es aus fünf verschiedenen Blickwinkeln:

  1. Augenhöhe
  2. Froschperspektive
  3. Vogelperspektive
  4. Schräge von der Seite
  5. Ganz nah (Detailaufnahme)

Ziel: Erkenne, wie sich durch Perspektive Bedeutung, Stimmung und Wirkung ändern.

Übung 2: Perspektive mit Aussage

  • Fotografiere eine Person, ein Tier oder eine Statue einmal:
    1. So, dass sie mächtig wirkt.
    2. So, dass sie verletzlich oder klein wirkt.
    3. So, dass sie ruhig und neutral wirkt.

Tipp: Du brauchst dafür nicht zwingend Menschen – nimm Puppen, Figuren, Spielzeug oder Tiere.

Übung 3: Perspektivwechsel als Spiel

Gehe 10 Minuten spazieren – und erlaube dir nicht, aus Augenhöhe zu fotografieren.

  • Du darfst nur knien, liegen, über Geländer lehnen, durch Öffnungen blicken oder von Treppen fotografieren.
  • Ziel: Raus aus der Komfortzone, rein ins Bild.

5. Reflexion: Wie hast du deinen Standpunkt verändert?

  • Welche Perspektive war dir neu – oder sogar ungewohnt?
  • Was war das spannendste Bild der Übung?
  • Wie wirkt das Motiv unterschiedlich in den verschiedenen Varianten?
  • Denkst du beim Fotografieren jetzt öfter über deinen eigenen Standpunkt nach?

6. Vertiefung (optional): Perspektive als Erzählmittel

  • Fotografiere zwei Bilder vom selben Ort:
    1. Aus einer „emotionalen Nähe“ (z. B. am Boden, dicht dran)
    2. Aus der „Beobachterrolle“ (von oben, mit Distanz)
  • Betrachte beide Bilder nebeneinander:
    • Welches erzählt mehr?
    • Welches lässt mehr Interpretation zu?

Tipp: In der Reportagefotografie entscheidet die Perspektive über Nähe oder Distanz zum Geschehen – wähle bewusst!

7. Abschlussaufgabe: Das Bild mit dem besten Perspektivwechsel

Wähle aus deinen Bildern das eine, bei dem du deinen Standpunkt besonders kreativ verändert hast.
Beantworte:

  • Welche Wirkung hat der Perspektivwechsel erzeugt?
  • Wie würdest du das Motiv beschreiben – aus dieser Sicht?
  • Was ist dein „Lieblingsstandpunkt“ – und warum?

Modul 5:
Perspektive ist ein machtvolles Werkzeug – nicht technisch, sondern erzählerisch. Sie verändert nicht nur das Bild, sondern auch die Beziehung zwischen dir, dem Motiv und dem Betrachter. In Modul 6 gehen wir noch einen Schritt weiter: Dort lernst du, wie du mit Licht nicht nur sehen, sondern gestalten kannst.

Nach oben scrollen